Artikel über neue Jiu-Jitsu-Einheit in der Badischen Zeitung

Seit Mai 2024 kann im Judoclub Bad Krozingen auch Jiu-Jitsu trainiert werden. Über dieses neue Angebot hat der Redakteur der Badischen Zeitung, Otto Schnekenburger, einen großen Artikel geschrieben, der am heutigen Dienstag (01.10.2024) in der Ausgabe „Südlicher Breisgau“ in der Badischen Zeitung veröffentlicht wurde. Wir freuen uns sehr über das große Interesse an Jiu-Jitsu in unserem Judoclub. Wer selbst einmal in das Kids- oder Erwachsenentraining rein schnuppern oder es weiterempfehlen möchte, kann sich jederzeit an Alexander und Selina (Mail: jiujitsu@judoclub-bad-krozingen.de) wenden.

Hier der BZ-Artikel als Fließtext:

Seit wenigen Monaten gibt es in Bad Krozingen die Möglichkeit, die japanische Kampfkunst Jiu-Jitsu zur Selbstverteidigung zu erlernen. Ein Trainingsbesuch.

 

Jiu Jitsu hat einen wesentlichen Unterschied zu vielen anderen Kampfsportarten. Während Judo, Ringen oder Karate als sportliche Wettkämpfe ausgetragen werden, strebt der Jiu-Jitsu-Kämpfer nicht nach dem Sieg gegen einen Kontrahenten auf der Matte. Eigentlich ist die Sache bei ihm um vieles ernster: Es gilt einen fiktiven Angriff abzuwehren. Jiu Jitsu ist ein Selbstverteidigungssystem. So wohnt den Übungen, die an diesem Abend von den Trainern Alexander Bruland und Selina Kabis gezeigt werden, eine Konsequenz inne: Im Test für den Ernstfall gilt es, maximale Härte und Emotionslosigkeit bis zur Erlangung einer Situationshoheit durchzuspielen. Bruland, Träger des zweiten DAN Ju Jutsu und ersten DAN Jiu Jitsu, hat schon als Neunjähriger mit Judo angefangen und 26 Jahre Kampfsporterfahrung. Kabis, schon immer sportbegeistert, kam über Turnen, Ballett und Tanz zum Kampfsport.

Jiu steht für weich, sanft, nachgebend, Jitsu für die Kunst oder Technik. Das führt zu einem weiteren wichtigen Grundprinzip dieser traditionellen Kampfkunst, auf das der Autor im Vorgespräch von Trainerin Selina Kabis hingewiesen wird: Jiu-Jitsu setzt das Nachgeben als Waffe ein, was es den Kämpfern ermöglicht, einen ihnen an Kraft weit überlegenen Gegner zu überwältigen. Weil sie es verstehen, dessen Kraft gegen ihn selbst zu richten. „Mit dem richtigen Griff oder Wurf kann ich auch einen 25 Kilo schwereren Gegner durch das Dojo schleudern“, verspricht Kabis.

Dojo, den „Ort des Weges“, nennen die Jiu Jitsuka ihre Kampfstätte. Oder, weniger martialisch, ihren Trainingsort. Im Dojo herrscht eine in den Budo-Kampfsportarten übliche Etikette. Die Matten werden nur barfuß betreten, Schüler und Trainer knien eingangs der Übungen ab, sie grüßen und meditieren zusammen. Es sind Umgangsformen, die auf den Außenstehenden auch Strenge vermitteln. „Wir haben festgestellt, dass gerade diese Strenge und Klarheit von den Teilnehmern geschätzt wird“, sagt Selina Kabis. „Die Trainierenden begrüßen es, dass einige Fragen nicht offen, sondern besprochen sind“, ergänzt Bruland. Die Hände sind vorab gewaschen, der Gegner wird als Zeichen des Respekts und Dankes vor und nach dem Kampf gegrüßt, das Tragen des Gis, der aus einer Baumwolljacke, einer weiten Baumwollhose und Gürtel bestehenden Trainingskleidung, ist schon bald obligatorisch. „Das zeigt die Gruppenzugehörigkeit und schafft Verbundenheit unter den Kämpfern“, sagt Bruland.

Nicht wenige Jugendliche sind an diesem Abend in die Sporthalle im Süden Bad Krozingens gekommen. Aber auch ein paar Menschen, die schon bald in Rente gehen dürften. Speziell auf die jüngeren Schüler haben die beiden Trainer der als Abteilung des Judo-Clubs neu gegründete Jiu-Jitsu-Gruppe, Alexander Bruland und Selina Kabis, den ersten Teil dieses Abends ausgerichtet. Sehr verspielt sind diese frühen Übungen. Die Teilnehmer ziehen sich gegenseitig an Ärmeln und Füßen über die Matten oder müssen durch einen aus sämtlichen Trainingspartnern gebildeten Tunnel robben. Sie haben von der Jüngsten bis zum Ältesten einen Heidenspaß. „Auch Erwachsene spielen gerne“, meint Bruland. Über den Spaß und die Albernheit gelinge es, bei den Übenden ein hohes Maß an körperlicher Anstrengung abzurufen.

Dann wird es ernst. Es folgt mit dem Mae Geri das erste Element des Technikteils, des Herzens eines Jiu-Jitsu-Abends. Der Mae Geri ist ein Stoß mit dem Fuß, den es erst mit einem Unterarmblock nach außen abzuwehren gilt. Dann soll der Gegner rücklings auf den Boden gerissen werden. „Das kann ich schon ziemlich gut“, verspricht mein Trainingspartner mit einem freundlich-zurückhaltenden Lächeln. Seltsamerweise wirkt das sogar beruhigend. Zwar werde ich wohl gleich mit Schwung auf dem Boden landen. Aber dafür zumindest derjenige sein, der zuerst den leichteren, weil passiveren Part des bösen Angreifers zu spielen hat. Nur wenige Minuten später landet auch der Trainingspartner korrekt geblockt und heruntergerissen auf der Matte – das erste Erfolgserlebnis.

In der nächsten Übungseinheit gilt es, erst einen rechten Schwinger Richtung Kopf mittels eines Passivblocks aufzuhalten. Und dann mittels eines Armriegels und schließlich einer sogenannten großen Außensichel selbst zum Angreifer zu werden. Das will mir nicht recht gelingen. Aber die Wirksamkeit – weil Schmerzhaftigkeit – des Armriegels bekomme ich als unter ihm Leidender beeindruckend vor Augen geführt.
Angriffe auf die Gelenke, Würgetechniken, Würfe: „Unsere Schülerinnen und Schüler lernen, wie sie einem Gegenüber sehr brachial wehtun können“, macht Alexander Bruland keinen Hehl. Genau aus diesem Grund hält er ein hohes Maß an Disziplin und Charakterschulung beim Jiu Jitsu für zwingend. „Wir legen großen Wert darauf, miteinander zu trainieren, anstatt gegeneinander“, sagt Bruland. „Der Teamgedanke und die soziale Komponente spielen eine große Rolle in unserem Training.

Beim O-Goshi getauften großen Hüftwurf trennt sich unter den Kämpfern endgültig die Spreu vom Weizen. Während sich Bruland und Kabis in atemberaubendem Tempo gegenseitig auf den Boden werfen, schaffen andere, die auch erst ganz wenige Trainingseinheiten auf dem Buckel haben, die Übung, die aus Greifen, Eindrehen, Aufladen und dem eigentlichen Wurf besteht, zumindest in Zeitlupe. Und der Autor kann sie zumindest gedanklich einigermaßen nachvollziehen. Die Langsamkeit sei ein wichtiges Hilfsmittel beim Erlernen neuer Übungen, sagt Kabis. „Und es ist erstaunlich, wie sich schon innerhalb von Wochen dann das Tempo auch bei schwierigeren Techniken erhöht.“

Zum vollendeten O-Goshi gehört ein im Ernstfall schmerzhaftes Finale: Das rechte Knie fixiert den Gegner an seinen Rippen auf dem Boden, ein Fauststoß zum Kopf gibt ihm, umgangssprachlich ausgedrückt, den Rest. Im Ernstfall bringt es eben womöglich wenig, den Gegner nur ein bisschen abzuwehren. Hier aber herrscht größte Rücksichtnahme, der Faustschlag ist allenfalls ein Wangenstreicheln. Und, auch das ist ein wichtiger Bestandteil des Jiu Jitsus, mit einem Abklopfen endet jede Kampfhandlung. Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit gehöre zum Jiu Jitsu, sagt Bruland. Zu wissen, sich auf den verlassen zu können, in dessen Hände man sich begibt.

Das Training ist zu Ende: Seiza, Mokusu, Mukusa Yame – Kniesitz, Augen geschlossen, Augen wieder geöffnet. Eine der Fokussierung und Sammlung dienende finale Kurzmeditation und Ehrerbietung. Der eine oder andere Kämpfer ist ganz schön erschöpft, der Autor zählt sich dazu. Aber überall sind glückliche Gesichter zu sehen.

Wer praktiziert warum Jiu Jitsu? Bei Eltern, die ihre Kinder zum Jiu Jitsu schicken, ist der Selbstverteidigungsaspekt wichtig und ein Einstiegsgrund. Zum Jiu Jitsu gehört auch das Erlernen des richtigen Fallens, womit Teilnehmer generell etwas zur Vermeidung von Verletzungen lernen. Darüber hinaus geht es um Körperverständnis, Bewegungslehre, Koordination, bisweilen steht als Motivation auch die Fitness im Vordergrund. „Jiu Jitsu ist sehr vielfältig, abwechslungsreich, es vereint die Qualitäten vieler Sportarten und ist für jedermann von jung bis alt geeignet“, sagt Selina Kabis. „Es ist ein Mix aus Ausdauer, Anstrengung und einer ganzen Bibliothek an Techniken.“

Badische Zeitung, Ausgabe Südlicher Breisgau, Otto Schnekenburger